GROSSER TOD, HALT DU MICH AUF.

Der Liedermacher Joachim Schäfer ist tot.

Ich lernte Achim 1988 kennen, bei einem Konzert in einer Leipziger Kirche. Und ich habe noch heute eine Postkarte aus dieser Zeit, voller Optimismus, eine typische Bleibe-Im-Lande-Karte, die der Verzweiflung des Einzelnen das Einmischen Aller entgegensetzen wollte.

Schon damals sang Achim sein "Trotz alledem", das der Dichter Andreas Reimann für ihn geschrieben hatte.

Seit 1971 lebte der Interpret in Leipzig und gehörte nach seinem Studium an der Musikhochschule zu den Wegbereitern der Liedermacherszene der DDR, die sich fern der staatsdoktrinären Oktoberklubkultur schnell etablierte.

Achim schrieb seine Texte kaum selbst. Sein intensives Lesen und seine Liebe zu Dichtern wie Ingeborg Bachmann, Wolfgang Borchert oder Gottfried Benn, ließen ihn in deren Arbeiten ein künstlerisches Zuhause finden. Alle aber bewegten sich in ihrer Literatur am Abgrund, in der Trauer. In einer Traurigkeit, die nicht mit Verdruß, sondern mit Begreifen zu tun hat.

"In den Kämpfen immerzu: großer Tod, halt Du mich auf" heißt es in Reimanns Requiem, das Achim auf seiner einzigen CD "LIEBETRAUERANGSTUNDTOD" vertont hat. Und in den Kämpfen dieser Zeit wich Achim nicht ab von der verzweifelten Romantik seines Gesangs, nicht ankommen wollte er im Fröhlichkeitswahn, nicht tanzen auf den titanesken Bällen der Gegenwart.

Er vertonte Ingeborg Bachmanns "Wir singen, den Ton in der Brust. Dort ist er niemals entsprungen. Nur manchmal hat einer gewußt: wir sind nicht zum Bleiben gezwungen."

Vor drei Wochen hat sich Achim auf diese Freiheit eingelassen. Sein eindrucksvoller Gesang fehlt nicht nur mir. Sehr.

 

25. Juli 1997